Smarte Produkte, Rückführung und Produkt-Service-Systeme

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Julian Mast

Smart ist die Zukunft? Smarte Produkte, Rückführung und Produkt-Service-Systeme

Zum frühzeitigen Jahresausklang des #CEresearchNRW fand am 07.12.2023 die finale Ausgabe der Webseminarreihe „Digital ready, circular ready?“ statt. Inhaltlicher Schwerpunkt war die die „Smartheit“ von Produkten und Services als Enabler der Circular Economy. Hierzu erläuterte zunächst Thomas Fetting den Einfluss smarter Produkte auf zirkuläre Geschäftsaktivitäten am Beispiel von Pumpen der WILO SE. Anschließend beleuchtete Dr. Martin Ebel vom Zentrum für das Engineering für Smarte Produkt Service Systeme (ZESS) an der Ruhr-Universität Bochum die Schnittstelle von Service-Transformation, Nachhaltigkeit und Circular Economy.

Ressourcenschonung durch smarte Pumpen (ResmaP)

In seinem Vortrag präsentierte Thomas Fetting als u.a. zuständiger Group Director der WILO SE für die Analyse von Produkten hinsichtlich deren Recyclingpotenziale das abgeschlossene Forschungsprojekt Ressourcenschonung durch smarte Pumpen (Ergebnispräsentation des Forschungsprojekts „(ResmaP).  Das Projekt wurde unter anderem in Kooperation mit der TH Köln, dem Fraunhofer IML und der Winter GmbH als Marketing-Partner durchgeführt. ResmaP hatte zum Ziel, die Materialeffizienz der Pumpen durch die Entwicklung smarter Produkte zu erhöhen. In diesem Zusammenhang bedeute „smart“ nach Fettings Definition die Echtzeitnutzung von erhobenen Daten. Dadurch können sich zuständige Personen direkt per remote-Anwendung auf die Pumpe aufschalten und so direkt Fehler- oder Störungsmeldungen erhalten. Dies ermöglicht, dass Wartungen und Reparaturen schneller und zielgerechter durchgeführt werden können. Dies könne im Vergleich zum klassischen Fall der Wartungen zusätzlich Ressourcen schonen, wo Handwerker zunächst zum Kunden fahren und feststellen müssen, welches Problem an der Pumpe besteht und anschließend das jeweilige Ersatzteil besorgen und einbauen müssen. Oft würden die Pumpen sogar komplett ausgetauscht, weil dies einfacher sei.

Am Beispiel der smarten Pumpen der WILO SE verdeutlichte Fetting, dass neuartige technologische Entwicklungen Veränderungen von Geschäftsmodellen bzw. -prozessen in Richtung Circular Economy unterstützen können. Diese seien oftmals stark von bestehenden Regularien und Gesetzen, aber auch von Vorbehalten mancher Partner (wie bspw. Handwerksbetrieben) betroffen oder gar in ihrer Entwicklung behindert. Neben der reinen technologischen Entwicklung sei es deshalb mindestens genauso wichtig, wie in ResmaP externe Stakeholder wie Handwerksbetriebe und Fachhandel frühzeitig in die Entwicklung von Produkten und neuen Geschäftsmodellen einzubinden. So sei es ein wesentlicher Auftrag der Unternehmen, den verbundenen Stakeholdern die Angst vor neuen Funktionen und damit verbundenen Geschäftsmodellen zu nehmen, Vorteile aufzuzeigen und in der weiteren Entwicklung auf deren Bedürfnisse und Ängste einzugehen und diese zu berücksichtigen. Fetting berichtete im Rahmen des Vortrags von einem Anfang des Jahres gestarteten Pilotprojekt, in dem elektronische Bauteile im Rahmen des Werkskundendienstes erneut verbaut wurden. Im Rahmen der Gewährleistung von Produkten seien nach derzeitiger Rechtslage die Wiederverwendung von Komponenten bei Wartung, Instandhaltung und Reparatur eher umsetzbar als beim Verkauf von (Neu-)Waren. Fetting verwies hier auf eine Vorreiterrolle, die Unternehmen wie die WILO SE bei sicherheitsunkritischen Komponenten bereits durch solche Pilotprojekte einnehmen.

Fetting zeigte ferner anhand der ResmaP-Projektergebnisse für das Model „Stratos Maxo“ auf, dass Produkte heutzutage oftmals aus einer Vielzahl an komplexen Komponenten bestehen. Selbst für Hersteller sei es schwer zu wissen, welche Rohstoffe und Ressourcen genau in den Bauteilen stecken, die global beschafft werden. Bewertungen der Umweltwirkung seien entsprechend schwierig bzw. mit einer Unsicherheit im Ergebnis behaftet. Ein Vergleich mit detaillierteren Berechnungen der TH Köln im Projekt zeigt, dass die Methode des Life-Cycle-Assessments für das betrachtete Produkt genauso gut aufzeigen kann, an welchen Stellen Potenziale zur Verbesserung der Umweltwirkung bestehen. Insbesondere in Kombination mit technischen Fehleranalysen können so ganze Module und Bauteile so gestaltet werden, dass sie einerseits geeignet sind wiederverwendet zu werden (bspw. durch Einstecktaschen statt Eingießen in Epoxid-Harze), andererseits aber auch die besonders klimaintensiven bzw. umweltschädlichen Bauteile optimiert werden können (insbesondere Aluminium-Gussteile). Unternehmen wie die WILO SE profitieren in doppelter Hinsicht von einer umweltgerechten Gestaltung ihrer Produkte. Einerseits halten diese den steigenden regulatorischen Rahmenbedingungen stand, andererseits machen diese durch Rückführung und Wiedernutzung das Unternehmen nachhaltiger und resilienter im Sinne der Ressourcenunabhängigkeit.

Smarte Produkt-Service-Systeme

Im zweiten Vortrag zeigte Dr. Martin Ebel, Kooperationsmanager am Zentrum für das Engineering smarter Produkt-Service-Systeme (ZESS) an der Ruhr-Uni Bochum auf, dass die Service-Transformation bzw. Servitization ein bereits seit längerer Zeit in der Wissenschaft betrachtetes Forschungsgebiet ist. Im Zuge des stärker werdenden gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsbestrebens erlebt das Thema Service-Transformation bzw. Produkt-Service-Systeme (PSS) eine Doppelspitze an erstrebenswerten Effekten: Servitization wird zum einen als wesentliche Möglichkeit zur Erreichung einer nachhaltigen Wirtschaft gesehen, da die Wertschöpfung von der Lieferung eines physischen Produktes entkoppelt wird. Des Weiteren wird ein neues Wertverständnis gefördert (Value-in-use), wodurch veränderte Anreizsysteme in der Produktion für langlebige, effiziente und modulare Produkte entstehen. Hier seien vor allem die PSS-Geschäftsmodelle zu nennen, in denen Unternehmen nicht mehr zwingend ihre Produkte verkaufen, sondern ihren Kunden zum Zwecke der Nutzenerfüllung zur Verfügung stellen. Diese bezahlen dann nach benötigter Nutzeneinheit. Prominente Beispiele dafür sind seit langem Rolls-Royce („power-by-the-hour“) oder neuerdings der deutsche Maschinenbauer Trumpf („Pay-per-part“). Martin Ebel betonte jedoch, dass nicht, wie allgemein angenommen wird, automatisch ein Umweltvorteil erreicht wird, wenn Geschäftsmodelle serviceorientierter gestaltet werden. Es bedürfe vielmehr ganzheitlicher Analysen der jeweiligen Systeme über den gesamten Lebenszyklus. So sei es bspw. denkbar, dass die Rückführlogistik zu einem Mehraufwand und Mehrbelastungen für die Umwelt führten, im Vergleich mit einer Neuproduktion. Am Beispiel von Kleidung aus PET-Flaschen zeigte Ebel auf, dass diese sich innerhalb des Flaschenrecyclings in einem sinnvollen Kreislauf befänden, die Herstellung von Kleidung aus PET-Resten jedoch zu massiv steigenden Umweltauswirkungen führe, da in diesem Falle nur ca. 3% recycelt werden könnten. Außerdem sei bspw. die Nutzungseffizienz bei industriellen Großanlagen bereits heute zu einem hohen Grad ausgereizt. In diesen Anlagen spielen andere Effekte wie z.B. optimierter Materialeinsatz und Vermeidung von Abfall eine größere Rolle.

In diesem Zusammenhang zeigte Ebel außerdem Effekte auf, in dem die Wissenschaft theoretische Konzepte mit massiven Einsparungspotenzialen durch Servitization von Geschäftsmodellen entwickelt, sich diese Einspareffekte jedoch noch nicht in der Praxis realisieren lassen. Gerade am Beispiel des Car-Sharings seien große Potenziale bspw. nicht ausschöpfbar, da die Kunden dennoch nicht vollständig auf den Besitz eines eigenen Autos verzichten könnten / wollen. Zusätzlich stünde die PSS-Anwendung vor einer Vielzahl an praxisrelevanten Herausforderungen. Eine erfolgreiche PSS-Transformation verlange die Veränderung von jahrelang entwickelten Märkten, was eine Anpassung von sozio-technischen Systemen, sowie der regulatorischen Rahmenbedingungen erfordere. Zusätzlich appellierte Ebel an zwei Ergebnismessbereiche. Zum einen sei Nachhaltigkeit auch heute noch zu wenig repräsentiert in der Entscheidungsfindung von Unternehmen. Zum anderen fußt das Konzept der Circular Economy häufig auf dem Ansatz des Green Growth (Wirtschaftswachstum entkoppelt von Ressourcenverbrauch) einem Konzept, welches bisher noch nie real bewiesen wurde. Es sei ein großer Wunsch Ebels, dass Forschende auch zukünftig klar aufzeigten, unter welchen Umständen PSS erstrebenswert seien und wann davon abzusehen sei. Leider beobachte er durchaus ein „Cherry-Picking“ von Fallbeispielen zur Untermauerung der potenziell höheren Nachhaltigkeit bzw. Zirkularität durch PSS-Maßnahmen, während eine wissenschaftliche Betrachtung und transparentes Aufzeigen der Effekte in der Breite der Fallbeispiele ausbleibe. Spannende Forschungsfelder sieht er in der Betrachtung von Rebound-Effekten, der Integration von neuen Technologien in die Kreislaufwirtschaft, aber auch in Servitization in Entwicklungsländern.

Vielen Dank für Ihre Teilnahme an unserem Web-Seminar über das ganze Jahr hinweg! Wir freuen uns, Sie auch bei unseren Ausgaben des #CEresearchNRW-Webseminars im neuen Jahr begrüßen zu dürfen.

Bis dahin, Ihr Prosperkolleg-Team