Raphael Lüke von der WiN Emscher-Lippe stellte zunächst eine zentrale Frage: Was ist ein Circular Performer? Im CirPEL-Projekt sind das Unternehmen, die nicht nur zirkuläre Wirtschaftsprinzipien umsetzen, sondern diese Haltung auch aktiv kommunizieren. Ganz im Sinne des Leitsatzes: “Tu Gutes und sprich darüber!” Nur so können diese Unternehmen Vorbilder für andere Akteure der Transformation sein.
Netzwerke und Kooperationen sind die Erfolgsprinzipien des CirPEL-Projekts, das von der WiN-Emscher Lippe und dem Wissenschaftspark Gelsenkirchen geleitet wird. Neben kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) spielen auch wissenschaftliche Institutionen eine zentrale Rolle, dazu gehören die Hochschule Ruhr West und die Westfälische Hochschule. Das virtuelle Institut des CirPEL-Projekts, organisiert durch den Prosperkolleg e.V., bietet der wissenschaftlichen Fachcommunity Raum zum Austausch und ermöglicht KMUs den Zugang zu aktueller Forschung. Unterstützung erhält das Projekt zudem von der IHK Nord Westfalen und der Handwerkskammer Münster, die die Brücke zwischen der Wissenschaft und Wirtschaft schlagen.
Gefördert wird CirPEL durch EFRE und Regio.NRW-Transformation bis 2027. Doch das Ziel geht über das Projektende hinaus: CirPEL soll eine Roadmap für die Circular Economy in der Region Emscher-Lippe schaffen und neue Projekte in fünf Kernbereichen initiieren: Baustoffe, Metalle, Kunststoffe und Bioökonomie, sowie Indikatorik/digitaler Produktpass.
Im zweiten Teil des Webseminars begrüßten Anna-Katharina Jung (Prosperkolleg e.V.) und Markus Kiryc (Westfälischen Hochschule) den Referenten Dino Woelk, einen Experten für die Beschichtung von Metallen. Markus Kiryc gab zunächst einen Überblick über verschiedene Arten von Metallen und ihren Einsatz. Wenn Metalle technisch genutzt werden, handelt es sich meist um Metalle wie Eisen, Chrom, oder Titan. Im Alltag allgegenwärtig sind auch Aluminium und Zink. Hier ist es klar, was im Anschluss an die Nutzung geschieht: Ob Alufolie oder Konservendose, ohne weitere Gedanken, landen sie zum Recycling in der Wertstofftonne.
In komplexen Strukturen wie Automobilien ist die Wiederverwertung abgenutzter metallischer Komponenten hingegen eine erhebliche Herausforderung und ineffizient. Hier setzt der Oberflächenschutz an: Er mindert Abnutzung durch Korrosion und Verschleiß und verlängert so die Lebensdauer der Bauteile. Eine bewährte Methode zum Schutz von Oberflächen gegen Korrosion ist das Lackieren, wie es z.B. auch in der Automobilindustrie praktiziert wird. Bei gleichzeitiger Beanspruchung durch Korrosion und Verschleiß werden jedoch fortschrittlichere Beschichtungstechniken benötigt. Die Oberflächentechnik nutzt in diesem Fall komplexe Beschichtungen, die durch thermisches Spritzen auf die metallische Oberfläche aufgebracht werden. Dazu zählen die sogenannten Cermets, die als Verbundwerkstoff, die Vorteile von Keramik und Metall vereinen. Die Entwicklung und Anwendung von Cermet-Schichten aus neuen und recycelten Pulvern ist das Spezialgebiet von Referent Dino Woelk, der im Anschluss sein Fachwissen mit uns teilte.
Durch seine Tätigkeit bei dem Unternehmen RS Rittel in Gladbeck ist Dino Woelk häufig in der Lebensmittelbranche unterwegs. Hier stehen metallische Komponenten oft im direkten Kontakt mit Nahrungsmitteln. Deshalb ist es sehr wichtig ist, dass die Metalle mechanisch belastbar und korrosionsbeständig sind, sowie keinen Nährboden für Bakterien bieten. Viele der metallischen Bauteile sind extremen Belastungen ausgesetzt, z.B. durch hohe Temperaturen. Dadurch ist es immer wieder möglich, dass trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Beschichtungen von Bauteilen abplatzen. Aber muss man sich dann Sorgen machen, wenn so etwas im Joghurt landet? Dieser Frage ging Woelk in seinem Vortrag auf die Spur.
Woelk unterschied in seinem Vortrag zwischen Oberflächenmodifikation (z.B. durch Sandstrahlen) und Beschichtung (z.B. durch Lackieren). Während die Modifikation die physikalischen Eigenschaften des Grundmaterials beeinflusst, fügt die Beschichtung neue funktionale Eigenschaften hinzu.
Hierzu einige Vergleiche und Beispiele: Malt man mit einem Wassermalkasten ein Bild, werden dem Papier zwar Farbpigmente hinzugefügt, aber das Papier wird dadurch nicht beständiger. In der Automobilindustrie hingegen wird das Metall eines Fahrzeugs zunächst aufgeraut (eine Form der Modifikation) und im Anschluss ein Lack aufgetragen, der vor Korrosion schützt (eine Form der Beschichtung). So wird das Auto nicht nur farblich verändert, sondern auch seine Beständigkeit gegen Nässe und Schmutz verbessert. Wie eine Jacke einen Menschen vor Kälte, aber auch vor Kratzern schützt, fügt auch eine Beschichtung einem Grundstoff weitere Funktionen hinzu.
Neben dem Korrosionsschutz kann eine Beschichtung einer Oberfläche auch weitere Fähigkeiten hinzufügen, wie z.B. die Erhöhung magnetischer Eigenschaften oder der elektrischen Leitfähigkeit. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der relativ simple Prozess des Beschichtens ein Produkt funktional erweitert.
Beim thermischen Spritzen kommt oft eine Beschichtungseinheit zum Einsatz, die zwei Kernaufgaben erfüllt: Erst erhitzt diese den draht- oder pulverförmigen Beschichtungswerkstoff in einem Gasstrahl. Danach spritzt die Einheit das Material mit hoher Geschwindigkeit auf die Bauteiloberfläche. Dabei bleibt die Struktur des Grundmaterials durch die Hitze unbeeinträchtigt. Das mehrlagige Auftragen macht die Beschichtung besonders fest und widerstandsfähig. Nach dem Prozess fühlt sich das beschichtete Metall lediglich handwarm an und kann direkt weiterbearbeitet werden – ein klarer Vorteil dieses Verfahrens. Da jedes Material andere Voraussetzungen mitbringt, passen Fachleute die Vorbereitung und das Auftragen der Schicht individuell an.
Eine fest montierte Beschichtungseinheit ist jedoch nicht in jedem Einsatzgebiet für das thermische Spritzen geeignet. In anspruchsvollen Umgebungen, wie auf Offshore-Anlagen, führen Techniker das Verfahren oft manuell mit einem drahtförmigen Beschichtungswerkstoff durch. Dieses System lässt sich leicht transportieren und bewältigt selbst die Herausforderungen von Wellenbewegungen und Feuchtigkeit auf See.
Die Firma RS Rittel hat sich auf das Hochgeschwindigkeitsflammspritzen spezialisiert. Dies ist eine Verfahrensart des thermischen Spritzens, bei der Pulverpartikel mit hoher Geschwindigkeit auf die Bauteiloberfläche gespritzt werden. Dabei kommen metallische und keramische Materialien wie Nickel, Chrom, Wolframcarbid und andere Verbundwerkstoffe zum Einsatz. Ein einfacher Leitsatz hilft bei der Auswahl geeigneter Bauteile: „Alles, was ich nicht sehen kann, kann ich auch nicht beschichten.“Dies bezieht sich auf die Tatsache, dass der gradlinige Prozess des thermischen Spritzens keine Hinterschneidungen oder verdeckten Bereiche erreichen kann.
Fachleute beschichten die Bauteile mit einem speziellen Pulver, das aus winzigen und idealerweise runden Partikeln besteht, die meist zwischen 40 und 50 µm groß sind. Dieses Pulver, aus dem Cermet-Schichten hergestellt werden, enthält zwei Hauptbestandteile: Keramik und Metall. Die Keramikkomponente zeichnet sich durch ihre hohe Abriebfestigkeit und Widerstandsfähigkeit aus, während die metallische Matrix dem Verbundmaterial eine gewisse Duktilität und Verformbarkeit verleiht. Cermet-Schichten geben metallischen Bauteilen zwei entscheidende Eigenschaften: Rostschutz und gesteigerte Abriebfestigkeit. Schon eine Beschichtung von nur 1/10 mm kann die Lebensdauer eines Bauteils erheblich verlängern. Dino Woelk betonte aus seiner betrieblichen Erfahrung, dass viele Unternehmen diesen großen Vorteil von Beschichtungen noch nicht vollständig nutzen, obwohl Beschichtungen die Lebensdauer von metallischen Komponenten entscheidend verbessern können.
Einige Metalle wie Nickel, Chrom und Wolfram gelten als potenziell gesundheits- und reproduktionsgefährdend. Unternehmen konzentrieren sich zwar auf die Leistungssteigerung, doch aus gesundheitlicher und unternehmerischer Sicht ist ein vorsichtiger und zurückhaltender Umgang mit diesen Stoffen essenziell. Die Abhängigkeit von Rohstoffen wie Wolfram zeigt dies deutlich: 70 % des weltweit genutzten Wolframs stammen aus China. Diese Konzentration macht die EU stark abhängig. Wolfram wird in vielen Technologien eingesetzt, etwa als Anodenmaterial in Röntgengeräten, aufgrund seiner hohen Schmelztemperatur und exzellenten Wärmeleitfähigkeit. Deshalb strebt die EU an, unabhängiger vom chinesischen Markt zu werden.
Dino Woelk betonte, dass RS Rittel den Umgang mit gesundheitsgefährdenden Stoffen reflektiert. Besonders problematisch sind Nickel und Chrom. Gelangen deren Pulver in die Lunge, können sie krebserregend wirken. Beschäftigte in Anlagen, die mit solchen Pulvern arbeiten, tragen daher Ganzkörperanzüge. Viele wünschen sich den Einsatz unbedenklicher Metalle wie Eisen. Doch auch Eisen hat Schwächen: Es rostet im Regen und löst sich bei Kontakt mit Säure schnell auf.
Die EU-Gesetzgebung fordert, schädliche Stoffe für Mensch und Umwelt zu ersetzen. So ist Chrom seit 1998 in Bedarfsgegenständen verboten und soll schrittweise in Bereichen wie der Oberflächentechnik ersetzt werden. Zudem müssen Unternehmen ihren Energiekonsum innerhalb von 25 Jahren um 80 % senken. Trotz eines entsprechenden Erlasses vor einem Vierteljahrhundert haben sich viele Betriebe nicht darauf eingestellt. Neue Innovationen sind daher erforderlich.
Wenn Beschichtungspulver wiederverwendet werden, enthalten sie zwar immer noch kritische Bestandteile, müssen aber nicht erneut abgebaut werden, sondern bleiben im Kreislauf enthalten. Im Fokus von Woelks Masterarbeit stand, wie Filterstäube bei Beschichtungsprozessen wiederverwendet werden können. Das erste Problem, mit dem man sich konfrontiert sieht, ist das die Beschichtungspartikel verformt sind und so schwerer zu nutzen sind. Im Gegensatz zu neuen runden Partikeln sind sie schwerer aufzubringen. Ein zweiter wichtiger Punkt ist der Energieaufwand. Betrachtet man die Energie, die aufgewendet werden muss, um ein neues Beschichtungspulver herzustellen, ist der Aufwand immens. Die Aufbereitung existierender Pulver kann somit zu einer Energieersparnis führen. Werden recycelte CERMET-Pulver eingesetzt, greift man auf ein Produkt zurück, dass zwar geringfügige Qualitätseinbußen hat, aber ebenfalls eine hohe Härte und Korrosionsbeständigkeit aufweist.
Während die Energiebilanz der recycelten CERMETS besser ist, als bei neu hergestellten Pulvern ist der technische Kostenfaktor höher und macht das Produkt teurer. Diesem monetären Grund, der gegen recycelten CERMETS spricht, könnte man mit einer bewussten Förderung dieser Technologien entgegenwirken. Zwar kann ich mit recycelten CERMETS den CO2 Fußabruck des Unternehmens senken, habe aber höhere Kosten. Deshalb muss Recycling in der Oberflächentechnik von Metallen als Brückentechnologie verstanden werden. Ziel muss es sein eine neue Technologie zu entwickeln, die a) weder Gesundheit und Umwelt schädigt und b) auch unternehmerisch profitabel ist.
Metallpartikel in Lebensmitteln wie Joghurt können aktuell eine potenzielle Gesundheitsgefährdung darstellen. Sehr geringe Mengen dieser Partikel gelten jedoch in der Regel als unbedenklich. Woelk betont, dass zukünftige Technologien und Innovationen darauf abzielen sollten, jegliche gesundheitlichen Bedenken vollständig auszuräumen.
Wir hoffen, dass Sie auch beim nächsten #CEresearchNRW Webseminar dabei sein werden. Es findet am 05.12.2024 statt und widmet sich dem spannenden Thema der Bauwirtschaft im Kontext der Circular Economy!
Bis dahin, ihr CirPEL und Prosperkolleg e.V. Team