Die digitale Circular Economy aus globaler, regionaler und Unternehmens-Perspektive

Friederike von Unruh vom Prosperkolleg Team.

von Friederike v. Unruh

Am 01.10.2020 stand das bereits sechste Web-Seminar des Virtuellen Forschungsnetzwerks Zirkuläre Wertschöpfung NRW an zum Thema „Digitalisierung trifft Zirkuläre Wertschöpfung – Wie kann man mit Digitalisierung Zirkuläre Wertschöpfung global, regional und in Unternehmen vorantreiben?“.

Mit einem vollen Programm ging es gleich los: Univ.-Prof. Martina Fromhold-Eisebith (Leiterin des Lehrstuhls Wirtschaftsgeographie an der RWTH Aachen) sprach über die digitale Circular Economy im Kontext der globalen Nachhaltigkeit und gab Einblicke in das WBGU-Gutachten „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) beobachtet und bewertet nationale und internationale Politiken der nachhaltigen Entwicklung und berät die Bundesregierung hinsichtlich ihrer internationalen Einflussnahme in Richtung Nachhaltigkeitstransformation. Professorin Fromhold-Eisebith ging zunächst darauf ein, warum man Digitalisierung und Nachhaltigkeit betrachten sollte und gab Beispiele für Risiken, die das Digitale Zeitalter mit sich bringt wie etwa die Macht der Daten, das sich verändernde Verhältnis von Mensch und Maschine sowie das Marktwachstum auf Kosten unseres Planenten. Jetzt sei der Zeitpunkt zu handeln, um Digitalisierung für Nachhaltigkeit zu nutzen und Digitalisierung selbst nachhaltig zu gestalten. Denn es sind bereits oder es werden derzeit Pfade eingeschlagen, die sich in Zukunft fortpflanzen werden.

Aber wie ist mehr Nachhaltigkeit durch Digitalisierung möglich? Dies ist durch nachhaltige, digitale Infrastrukturen und der Nutzung von digitalen Werkzeugen für die Nachhaltigkeit erreichbar, wie zum Beispiel mit Energie- und Mobilitätssystemen oder dem richtigen Umgang mit Stoffen und Ressourcen. Auch können in digitalen Gesellschaften der soziale Zusammenhalt und die Demokratie gestärkt werden sowie die Machtungleichgewichte abgebaut werden.

Das WBGU-Gutachten geht auf folgende Erkenntnisziele ein: „Wie können digitale Technologien in den Dienst globaler Nachhaltigkeit gestellt werden?“, „Wie verändert Digitalisierung unsere Gesellschaften und Anforderungen an Nachhaltigkeit?“ und „Was kann getan werden?“. Dafür hat das Gutachten sowohl Schlüsseltechnologien wie Internet der Dinge, Big Data, Künstliche Intelligenz oder Cybersicherheit identifiziert, als auch die mit ihnen verbundenen Kerncharakteristika der Digitalisierung: Vernetzung, Kognition, Autonomie, Virtualität und Wissensexplosion.

Auch werden im Gutachten verschiedene „Schauplätze“ des digitalen Wandels näher betrachtet. Prof. Dr. Fromhold-Eisebith ging explizit auf den Industriellen Metabolismus und Elektroschrott in der Kreislaufwirtschaft ein, bei denen digitale Technoligen zu mehr Nachhaltigkeit führen können: Das Internet der Dinge kann eine bessere Koordination der Prozesse bieten und somit Optimierungen in Wertschöpfungsketten bewirken. Ein weiteres Beispiel ist die Künstliche Intelligenz: Mittels Sensoren und Kameras kann E-Schrott erkannt und effektiv sortiert werden. Auch die Additive Fertigung kann helfen, passgenaue Teile aus einem leichtem Material zu liefern, welches einfach zu recyceln ist. Trotzdem dürfen an dieser Stelle auch die Nachteile nicht vergessen werden, wie die steigende Anzahl digitaler Geräte und Infrastrukturen und somit die erhöhte Nachfrage nach Metallen, Verbundmaterialien und Energie sowie der anfallende E-Schrott. Schlussfolgernd muss Digitalisierung gezielt mit Nachhaltigkeit verknüpft werden, wobei hierbei auch voneinander abhängige Prozessfelder betrachtet werden müssen, um zum Beispiel Rebound-Effekte auszuschließen. Auch stellt sich die Frage, wie regulative Maßnahmen und Anreize effektiv eingesetzt werden können. Zudem darf die Rolle der Unternehmen als „Agenten des Wandels“ nicht unterschätzt werden.

Danach stellte Projektleiter Paul Szabo-Müller das BMBF Projekt »reWIR« vor, welches Teil der „WIR!“-Programmfamilie ist und die Digitalisierung als Instrument für nachhaltigen Strukturwandel im Ruhrgebiet nutzen möchte. Dazu gab es Anregungen und Beispiele zur digitalen Zirkulären Wertschöpfung: Das Projekt »reWIR« möchte die nachhaltige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der Metropole Ruhr vorantreiben. Zu diesem Zweck werden zunächst gemeinsam mit dem Bündnis bestehend aus der Hochschule Ruhr West, dem Impact Hub Ruhr und einem Netzwerk von 50 Organisationen Konzeptideen ausgearbeitet. Sie sollen ab Ende 2021 in der Umsetzungsphase durchgeführt werden, falls »reWIR« dafür als eines von 25 Bündnissen in Deutschland ausgewählt wird.

Zudem gab Paul Szabo-Müller inspirierende Beispiele für die digitale Zirkuläre Wertschöpfung, bei denen man sich jedoch immer fragen solle, ist das wirklich zirkulär, digital und nachhaltig? Herr Szabo-Müller nannte die Additive Fertigung, um Ersatzteile passgenau fertigen zu können, sowie die vorausschauende Instandhaltung, die bei anstehenden Wartungsarbeiten Alarm schlägt. Auch wurden Beispiele für die Sharing Economy gegeben, wo man Gebrauchsgüter wie Fahrzeuge nicht besitzt, sondern nur bei Bedarf nutzt und bezahlt. Auch wurde die Reverse Logistik vorgestellt, bei der beispielweise nicht mehr verwendete oder kaputte Waren zurückgeführt werden. Auch wurden Vorteile eines modularen Designs aufgezeigt sowie die Dematerialisierung durch Virtualisierung angesprochen. Zudem ging Herr Szabo-Müller auf die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz im Produktlebenszyklus von E-Geräten und E-Schrott ein, unter anderem bei der Sortierung und Erkennung für ein besseres Recycling.

Anschließend übernahm Jan Rüter (nachhaltig.digital), um das Thema aus der Unternehmensperspektive zu beleuchten. Jan Rüter begann seinen Vortrag mit einem Zitat von Yuval Noah Harari, der sagte: „Revolutionen werden üblicherweise von kleinen Netzwerken und nicht von Massen in Gang gesetzt“, weshalb es wichtig sei, zusammen zu arbeiten und auch kleinen Ideen eine Bühne zu geben. Als Einstieg ins Thema wurde eine Frage des DBU Umweltmonitors vorgestellt. Im Jahr 2018, im März 2020 und im April 2020 wurde gefragt: „Durch die Digitalisierung und den digitalen Wandel überwiegen für die Umwelt eher: „die Vorteile“, „sowohl als auch“ oder die „Nachteile“? Die Studie zeigt, dass im April 2020 deutlich weniger Bundesbürger*innen Umweltnachteile durch die Digitalisierung und den digitalen Wandel sehen als im März des Jahres. Hieraus könne man vorsichtig folgern, dass Corona die Digitalisierung deutlich vorangetrieben hat.

Zunächst ging Herr Rüter auf die erarbeiteten Bausteine von nachhaltig.digital ein: Dafür wurden aus der Projektdatenbank des DBU zunächst 255 Projekte ausgewählt, die auf 36
finale Projekte zugespitzt wurden, die dann die Grundlage für die Bausteine bilden. Die Bausteine sind ein einfacher Einstieg für Unternehmen, die verdeutlichen sollen, wie man Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammen denken kann. Es soll gezeigt werden, wie digitale Tools den Unternehmen helfen können. Die ersten Bausteine sind eher technisch geprägt, wie zum Beispiel die Additive Fertigung, der digitale Zwilling, Sensorik und Bilderkennung sowie die digitale Kreislaufwirtschaft. Insgesamt sollten Unternehmen Potenziale erkennen, aber auch die Risiken im Blick behalten.

Im Folgenden nannte Herr Rüter explizit Beispiele von Unternehmen, die die Digitalisierung im Kontext der Nachhaltigkeit nutzen: Restado ist ein digitaler Marktplatz für sekundäre Rohstoffe, Spicetech verwendet KI um die Lebensmittelverschwendung bereits bei der Beschaffung zu reduzieren oder Avalution nutzt die Technologie des digitalen Zwillings und generiert Avatare für die Bekleidungsindustrie, um Retouren zu verringern. Herr Rüter betonte, dass diese Beispiele bekannter werden müssten, um andere Unternehmen zu inspirieren.

Die Fragen und Diskussionsbeiträge zeigten, dass die Digitalisierung die Zirkuläre Wertschöpfung vorantreiben kann, wenn sie richtig genutzt wird und Rebound-Effekte verhindert werden. Vor allem wurde über die Steuerung durch Maßnahmen und Schaffung von Standards diskutiert. Gerade kleinere Unternehmen sollten sich trauen, Schritte in Richtung digitale Zirkuläre Wertschöpfung zu gehen. Dies muss nicht alleine geschehen, sondern gerade auch im Netzwerk mit anderen Akteuren.