Am 6. März 2025 fand das 41. Webseminar #CEresearchNRW unter dem Titel “Kunststoff-Kreisläufe” statt. Mit Dr. Stephan Kabasci und Dr. Philip Mörbitz vom Fraunhofer UMSICHT sowie Ludger Wüller vom Kunststoff-Institut Lüdenscheid hatten wir erfahrene Experten zu Gast. Im Fokus standen die Herausforderungen und Chancen der Circular Economy im Bereich der Kunststoffe. Die Referenten zeigten, wie wichtig die zirkuläre Transformation ist, präsentierten neue Forschungsergebnisse zu biobasierten Kunststoffen und erläuterten, welchen Einfluss Kunststoffrezyklate auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen haben.
Nach einer kurzen Einführung durch Prof. Thomas Brümmer, der im CIRPEL-Projekt die Fachgruppe Kunststoffe an der Westfälischen Hochschule leitet, übernahmen die Referenten das Wort.
Den ersten Vortrag hielt Dr. Stephan Kabasci vom Fraunhofer UMSICHT, das an den Standorten Oberhausen und Sulzbach-Rosenberg tätig ist. Das Institut setzt in seiner Forschung auf vier zentrale Themen: Carbon Management, Circular Economy, Green Hydrogen und Local Energy Systems.
Dr. Kabasci verdeutlichte die Dringlichkeit der Circular Economy anhand einer Grafik zur planetaren Belastungsgrenze. Während in manchen Bereichen Fortschritte erzielt wurden – etwa bei der Schließung des Ozonlochs –, ist z.B. die Artenvielfalt weiterhin stark rückläufig.
Eine zentrale Frage, die er aufwarf: Wie können wir unseren Lebensstandard erhalten, ohne weitere Rohstoffe zu entnehmen? Denn die Ressourcen unseres Planeten sind endlich und wir müssen lernen damit umzugehen.
Narrowing the loop: Weniger Rohstoffe entnehmen.
Slowing the loop: Langlebigkeit und Reparatur fördern.
Closing the loop: Recycling etablieren.
Operating the loop: Materialverluste mit biobasierten Rohstoffen kompensieren.
In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Unternehmen in NRW noch Nachholbedarf haben. Während Langlebigkeit als Strategie weitgehend akzeptiert wird, ist der Einsatz von Recyclingmaterialien und nachwachsenden Rohstoffen noch gering. Auch bei Geschäftsmodellen wie Vermietung und Produkt-Sharing gibt es Entwicklungspotenzial.
Zum Abschluss seines Vortrags lenkte Dr. Kabasci den Blick auf die weltweite Kunststoffnutzung. Prognosen zufolge wird der Kunststoffverbrauch bis 2050 auf eine Milliarde Tonnen pro Jahr ansteigen. Besonders problematisch sind Verpackungen, da sie oft nur wenige Minuten genutzt und dann entsorgt werden. Derzeit gelangen 77 % der produzierten Kunststoffe in den Abfallstrom, während nur 23 % im Kreislauf verbleiben. Tatsächlich recycelt werden lediglich 7 %. Ohne Gegenmaßnahmen drohen steigende Treibhausgasemissionen und eine zunehmende Umweltbelastung.
Biobasierte Kunststoff-Kreisläufe
Im zweiten Vortrag erläuterte Dr. Philip Mörbitz, Fraunhofer Umsicht die Potenziale biobasierter Kunststoffe, die insbesondere zu der Strategie Operating the Loop beitragen. Der aktuelle Stand der Kunststoffwirtschaft zeigt: Viele Kunststoffe sind weder recyclingfähig noch werden sie dem Recycling zugeführt. Geschlossene Materialkreisläufe sind bislang eher die Ausnahme. Ein Sonderfall ist z.B. die PET-Falsche. Wie im #CEresearchNRW zu Kunststoffverpackungen eindrücklich diskutiert wurde.
Ein vielversprechender Ansatz ist das mechanische Recycling biobasierter Kunststoffe. Dafür ist jedoch weitere Forschung erforderlich, insbesondere hinsichtlich:
Materialeigenschaften biobasierter Kunststoffe,
Sicherstellung der Rohstoffverfügbarkeit,
Entwicklung neuer Recyclingtechnologien.
Ebenso haben politische Regularien einen großen Einfluss auf einen Wandel hin zum Einsatz biobasierter Kunststoffe, da sie oft eine Hürde darstellen.
Das Fraunhofer UMSICHT forscht an biologisch abbaubaren Kunststoffen, die sich nach der Nutzung in ihre Grundstoffe zerlegen lassen. Im Projekt Bio2Bottle entwickelte das Team um Dr. Mörbitz ein biobasiertes Polymer, das mechanisch belastbar ist und über verbesserte Barriereeigenschaften verfügt.
Zentral waren hier Additive des selben Grundmaterials, zu Förderung der Belastbarkeit und eine Variation der Seitenketten zur Verbesserung der Schmelzviskosität. Durch Optimierungen konnte die Aushärtungszeit von 18 auf 1,5 Minuten reduziert werden. Die Barriere eigenschaften wurden durch prozessgesteuerte Einstellungen des Kristallisationsverhaltens erzielt.
Die Flaschen können 10-mal wiederverwendet und anschließend durch biotechnologisches Recycling vollständig in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden. Die Kombination dieser mechanischen und chemischen Recyclingverfahren tragen maßgeblich zur Zirkularität biobasierter Kunststoffe bei. So wird verhindert, durch fortlaufende neue Synthetisierung biobasierter Kunststoffe viel Energie eingesetzt werden muss.
Herausforderungen und Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft
Den dritten Vortrag hielt Ludger Wüller vom Kunststoff-Institut Lüdenscheid. Das 1988 gegründete Netzwerk unterstützt Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Kunststoffindustrie – von der Produktentwicklung bis zur Nachhaltigkeitsstrategie.
In den letzten Jahren hat das Institut sein Engagement für Nachhaltigkeit verstärkt. Dazu gehören folgende Angebote:
CO₂-Bilanzen für Produkte nach ISO-Standard,
Ökobilanzen (EPD) über den gesamten Lebenszyklus,
Entwicklung nachhaltiger Unternehmensstrategien.
Diese Entwicklung des Instituts hin zur Nachhaltigkeitsförderung fußt nicht zuletzt auf den zahlreichen internationalen und nationalen politischen Entwicklungen und Initiativen (Sustainable Development Goals, Green Deal, CSRD-Richtlinien). Als besonders greifbar stellte Wüller den Green Deal in den Vordergrund, da dieser auf klare KPI setzt und somit Fortschritte messbar und nachvollziehbar macht.
Steigende Nachfrage nach Kunststoff-Rezyklaten
Ein zentrales Thema für das Kunststoff-Institut Lüdenscheid ist der Einsatz von Kunststoffrezyklaten. Neben dem Vorteil für eine nachhaltige Transformation von Unternehmen, spielen auch Erlasse eine Rolle. Ab 2031 wird beispielsweise ein Mindestanteil von 25 % Post-Consumer-Rezyklat in Neufahrzeugen verpflichtend. Die Nachfrage nach recyceltem Kunststoff steigt, doch es gibt eine Versorgungslücke, insbesondere ab 2030.
Post-Consumer-Rezyklate unterscheiden sich von Post-Industrial Rezyklaten dadurch, dass sie die Produktionsstätte einmal vollständig verlassen haben müssen. Das heißt Abfälle aus der eigenen Produktion werden nicht angerechnet.
Kunststoff ist ein sehr langlebiges Material – trotzdem hat es oft eine oft sehr kurze Nutzungsdauer. Kunststoffabfälle haben je nach Sektor unterschiedliche Rücklaufquoten. Verpackungen werden schnell entsorgt, während Baumaterialien wie z.B. Fensterrahmen über viele Jahre in Gebrauch bleiben. Zusätzlich erschweren verschiedene Faktoren den Rezyklateinsatz:
Verunreinigungen durch alte heute als Gefahrenstoffe deklarierte Additive,
Geruchsanhaftungen,
Hohe Qualitätsanforderungen für industrielle Anwendungen.
Ludger Wüller betonte, dass Materialverluste im Kreislauf unvermeidlich sind. Diese sollten daher mit erneuerbaren Kunststoffen kompensiert werden. Mechanisches Recycling hat allerdings Grenzen – ab einem gewissen Punkt ist chemisches Recycling erforderlich, um die Materialqualität zu erhalten. Dies ist jedoch energieintensiver und sollte nur als letzte Option genutzt werden.
Parallel dazu muss der Kunststoffverbrauch insgesamt reduziert werden (Reduce-Strategie). Besonders bei Verpackungen gilt: Weniger ist mehr. Durch optimierte Verpackungsgrößen können Lager- und Transportvolumen gesenkt und Emissionen reduziert werden.
Ein Praxisbeispiel für erfolgreiche Circular Economy ist die Umstellung von Schießer auf recycelte Kleiderbügel, die das Kunststoff-Institut Lüdenscheid begleitete. Die neuen Bügel bestehen zu 70 % aus Rezyklat, das aus alten Kühlschränken und Kleiderbügeln gewonnen wurde. Kombiniert mit einem Rücknahmesystem konnte das Unternehmen 180.000 kg Neumaterial einsparen und die CO₂-Emissionen der Bügelproduktion um 85 % reduzieren.
Die vollständigen Folien von Ludger Wüller können Sie hier herunterladen.
Das Webseminar verdeutlichte, dass eine nachhaltige Kunststoffnutzung nur durch ein ganzheitliches Konzept möglich ist. Industrie, Politik und Gesellschaft müssen gemeinsam an einer Reduktion von Neuware und der Verbesserung von Kreislaufprozessen arbeiten.
Wir hoffen, dass Sie auch beim nächsten #CEresearchNRW Webseminar dabei sein werden. Dieses wird am 3.4.2025 zu dem spannenden Thema “Large Language Models und der digitale Produktpass” stattfinden.
Bis dahin, ihr CirPEL und Prosperkolleg e.V. Team