Konsum in der Circular Economy

Verbraucher:innen und nutzerzentriertes Design im Kontext der zirkulären Wertschöpfung

Sabine Büttner

Die Umgestaltung der Wirtschaft nach Prinzipien der zirkulären Wertschöpfung verlangt weit reichende Veränderungen: Innovative Materialien und Verfahrenstechniken müssen gefunden, Produkte und Geschäftsmodelle neu gedacht, alternative Wertschöpfungsketten geknüpft und Infrastrukturen bereitgestellt werden.

Die Rolle der Verbraucher:innen

Ebenso relevant und erfolgskritisch ist aber die veränderte Rolle der Konsument:innen und Bürger:innen, die als zentrale Akteur:innen zu verstehen sind. Denn ein zirkuläres Wirtschaftssystem erfordert wesentliche Anpassungen bei individuellen Einstellungen und Verhaltensmustern wie auch bei sozialen Praktiken. So ist die Akzeptanz von Sharing-Modellen oder gebrauchten Gegenständen nicht selbstverständlich, sondern ihr Fehlen vielmehr ein häufiger Grund für das Scheitern von zirkulären Produkten und Services. Ein Beispiel dafür ist Tchibo Share, ein Mietangebot für Kinderkleidung, das nach wenigen Jahren wieder eingestellt wurde. Auch das Reparieren von defekten Geräten wird nicht einfach über Nacht zur neuen Praxis, wenn eine klare Motivation fehlt, viele Menschen nicht (mehr) über die notwendigen Fertigkeiten verfügen oder die Kosten-Nutzen-Rechnung meist für einen Neukauf spricht.

Grafik: Verhaltenserwartungen an Konsument:innen in der Circular Economy
Abbildung 1: Verhaltenserwartungen an Konsument:innen im Kontext der Circular Economy (eigene Darstellung)

Langer Weg des Wandels

Während in Nischen wie Repair Cafes oder FabLabs mit dem Reparieren und Selbermachen experimentiert wird, versucht die Politik im Rahmen der neuen Ökodesign-Richtlinie Verbraucher:innen unter anderem durch Informationspflichten der Hersteller und Vorgaben zur Reparierbarkeit zu unterstützen.

Bis zu einem breiten Wandel der Praktiken – von der Selbstverständlichkeit des Reparierens über die Kaufentscheidung nach Kriterien der Langlebigkeit bis hin zur Nutzung von Service-Modellen („Nutzen statt Besitzen“) – ist es aber noch ein weiter Weg.

Auch die Wissenschaft hat lange ihren Fokus auf die Seite der „Produktion“ gelegt und den „Konsum“ eher stiefmütterlich behandelt. Mittlerweile gibt es jedoch zahlreiche Studien, die sich zum Beispiel mit den vielfältigen ökonomischen, sozialen und psychologischen Hürden für die Akzeptanz zirkulärer Produkte und Services beschäftigen. Einen guten Überblick bietet der Literaturbericht von Juana Camacho-Otero et al. (2018, 2020).

Die Nutzenden im Designprozess

Aus den oben beschriebenen Zusammenhängen lässt sich ableiten: Nicht nur das Ende der Nutzung zirkulärer Produkte sollte von Anfang mitgedacht werden, sondern auch die Nutzenden. Als Hilfestellung für den Gestaltungsprozess kann dabei ein Vier-Ebenen-Modell dienen, das zeigt, welche Aspekte Einfluss auf das Verhalten von Verbraucher:innen haben – und wo damit Hebel für die Gestaltung liegen.

Abbildung 2: Ebenenmodell der Produkterfahrung (eigene Darstellung, angelehnt an Diefenbach, Sarah und Marc Hassenzahl (2017): Psychologie in der nutzerzentrierten Produktgestaltung. Berlin, Heidelberg: Springer

Beispiel Nutzungskontext

Gerade wenn es um neue Verhaltensmuster geht, ist es ausschlaggebend, nicht nur das Produkt selbst zu betrachten, sondern auch den Kontext, die Gebrauchssituation, mitzudenken.

Der Smartphone-Hersteller SHIFT, der mit der Modularität und Reparierbarkeit seiner Produkte wirbt, liefert beispielsweise den passenden Schraubenzieher direkt mit; die Hürde, zunächst ein Spezialwerkzeug besorgen zu müssen, bevor man sich an die Reparatur wagt, ist so direkt ausgeräumt. Darüber hinaus wird die Reparatur durch Ersatzteile im Shop, ein Community-Forum und durch Video-Anleitungen unterstützt, die auf YouTube verfügbar sind bzw. vom Kundenservice zugeschickt werden. Ziel der Überlegungen muss es sein, das erwünschte Verhalten – in diesem Fall die Reparatur und längere Nutzung – einfacher und bequemer zu machen.

Mit den genannten Aspekten beschäftigt sich in ausführlicherer Form unser Artikel „Konsum in der Circular Economy. Zur Rolle von Verbraucher:innen und nutzerzentriertem Design“.

Literaturhinweis

Camacho-Otero, Juana, Casper Boks and Ida Pettersen (2018): Consumption in the Circular Economy: A Literature Review. In: Sustainability 10 (8), 2758, DOI: 10.3390/su10082758