Die EU-Initiative für nachhaltige Produkte – kreislauffähige und nachhaltige Produkte zur Norm machen

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Julian Mast

CEresearchNRW: Die EU-Initiative für nachhaltige Produkte – kreislauffähige und nachhaltige Produkte zur Norm machen

Am 01.12.2022 durfte das Prosperkolleg-Forschungsnetzwerk #CEresearchNRW seine Zuhörer:innen zu einem weiteren Web-Seminar begrüßen. Auch dieses Seminar beleuchtete eine zentrale Säule des EU Circular Economy Action Plans: den Rahmen für nachhaltige Produktpolitik und insbesondere die Initiative für nachhaltige Produkte (engl. Sustainable Products Initiative; SPI).

Zunächst führte Paul Szabó-Müller vom Prosperkolleg in das Thema ein. Anschließend wurden in zwei Fachvorträgen zwei wichtige Themen vertieft. Im ersten Vortrag stellten Chloé Demay & Isabel Gomez von der Cradle to Cradle NGO deren Cradle to Cradle Leitfaden zur Beschaffung in Kommunen vor. Im zweiten Vortrag gab Dr. Holger Berg vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH ein „Update“ zum Konzept und dem aktuellen Stand der Entwicklung digitaler Produktpässe.

Nachhaltige Produktpolitik und Initiative für nachhaltige Produkte

Laut Paul Szabó-Müller ist ”Nachhaltige Produkte zur Norm machen” ein zentrales Ziel des EU Circular Economy Action Plans (CEAP). Deshalb wurde in diesem ein Rahmen für nachhaltige Produktpolitik verankert, der das Design nachhaltiger Produkte, die Stärkung der Position von Verbrauchern und öffentlichen Auftraggebern sowie Förderung des Kreislaufprinzips in Produktprozessen zum Ziel hat. Dazu wurde die Initiative für nachhaltige Produkte gestartet, in deren Rahmen eine neue Ökologie-Richtlinie erarbeitet wird, die Leistungs- und Informationsanforderungen für fast alle Produktkategorien am EU-Markt festlegt. Produkte sollen nicht nur energieeffizienter, sondern zudem langlebiger, leichter wiederverwendbar und reparierbar, recyclingfähiger werden. Die Informationspflichten beinhalten auch die Einführung eines digitalen Produktpasses. Gegebenenfalls werden im Rahmen der Initiative zusätzliche Legislativmaßnahmen vorgeschlagen.

Die kommunale Beschaffung als Hebel und Vorreiter für Circular Economy

Chloé Demay und Isabel Gomez vertraten die Cradle to Cradle (C2C) NGO, für die sie im Wesentlichen für Kommunikation und die Vernetzung politischer und gesellschaftlicher Akteure verantwortlich sind. Die C2C NGO engagiert sich bzgl. der Erreichung der Sustainable Development Goals und der damit verbundenen sozial-ökologischen und zirkulären Transformation. C2C stellt als „Goldstandard der konsequenten Kreislaufwirtschaft“ zugleich eine Denkschule und ein Designkonzept dar, das die Entstehung von Müll aus wertvollen Ressourcen verhindert bzw. vollständig eliminiert.

Durch geschlossene technologische und biologische Kreisläufe sollen alle Materialien als „Nährstoffe“ nachfolgender, anthropogener Produkte dienen. So wird der „Schädling Mensch“, der die Ökosphäre des Planeten stark belastet, zu einem „Nützling“, der in Symbiose mit ebendieser lebt. Um einen Wandel hin zu einer C2C-konformen Gesellschaft zu unterstützen hat die C2C NGO einen Leitfaden entwickelt, der ein Umdenken für einen zukunftsfähigen kommunalen Einkauf ermöglichen soll. Dieser bietet Denkanstöße und Hilfestellungen, um das Verständnis für Cradle to Cradle im Kontext einer öffentlichen Produktbeschaffung zu stärken. Der Leitfaden ist öffentlich zugänglich und wird fortlaufend aktualisiert.

Wie auch der EU CEAP betont, stellt die kommunale Beschaffung aufgrund ihrer hohen Marktmacht (knapp 10% des BIPs Deutschlands) einerseits einen großen Hebel zur Abkehr von der linearen Wirtschaft dar, andererseits kann die öffentliche Hand als Institution so ihrer Verantwortung und Vorbildrolle in der Umsetzung von Kreislaufstrategien gerecht werden. Des Weiteren stellen derzeitige Vergabeverfahren nicht die Realkosten über den gesamten Produkt-Lebenszyklus dar, während ein Vorgehen nach C2C potenziell sogar zu einer Kosteneinsparung führen könne. Der Leitfaden bietet den Kommunen einen strukturellen Rahmen und Anknüpfungspunkte zur Beschaffung C2C normierter Produkte.

Der C2C orientierte Beschaffungsprozess beginnt noch vor dem eigentlichen Einkauf: Zunächst soll der genaue Nutzen definiert werden, der erbracht werden soll. Im Anschluss daran kann dann durch eine Marktrecherche geklärt werden, welche Lösungen der Markt über gängige Kauflösungen hinaus bietet. Dies kann beispielsweise Pay-per-use- oder Leihmodelle umfassen. Basierend auf den Ergebnissen der Voruntersuchung erfolgt dann nach Leitfaden die Formulierung der festen Vergabekriterien. Die Strukturelle Rahmenbedingungen umfassen dabei bspw. die Einführung einer Kompetenzstelle für C2C-Angelegenheiten, die Definition klarer Zielstellungen und die Berücksichtigung ganzheitlicher Lebenszykluskosten. Zum Nachweis von C2C-Konformität kann bspw. der gleichnamige Standard herangezogen werden.

Digitale Produktpässe –
Enabler einer zirkulären Wirtschaft?

Dr. Holger Berg leitet den Forschungsbereich „Digitale Transformation“ am Wuppertal Institut und widmet sich mit besonderem Interesse der Forschungsfrage, welche Chancen und Einflüssen die digitale Transformation auf eine nachhaltige Entwicklung hat.

Für Holger Berg sind zwei wesentliche Charakteristika der Circular Economy, dass diese ein vernetztes System mit einer Vielzahl an Akteuren ist und sich durch eine Kreislaufführung von Materialen und Produkten besonders auszeichnet. Dabei erfordert die (Weiter-) Nutzung von Produkten nähere Informationen bzgl. der Materialeigenschaften und -beschaffenheit. Diese Informationen liegen derzeit häufig nicht vor. Die digitalen Produktpässe stellen zunächst die Möglichkeit dar, ein Stammdatenblatt zu enthalten, das mit den jeweils aktuellen Daten über den gesamten Produktlebenszyklus gepflegt wird.

Die Wichtigkeit digitaler Produktpässe für die Circular Economy wird auch in der (EU-)Politik erkannt, welche bestrebt ist, digitale Produktpässe möglichst flächendeckend zu etablieren. Dies spiegelt sich in mehreren Vorschlägen zu künftigen Verordnungen, wie bspw. Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR) oder Sustainable Products Initiative (SPI), Batterie- oder Verpackungsverordnung, in denen digitale Produktpässe ca. 140 Mal aufgeführt werden. Dennoch befinden sich diese Vorschläge erst in der Abstimmungsphase und es gibt derzeit noch keine fertigen oder gar verabschiedeten Verordnungen, die digitale Produktpässe verbindlich vorschreiben. Stattdessen können die Vorschläge daher als Ergebnis des Trilogs zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Rat gesehen werden.

Für Holger Berg ist es zukünftig obligatorisch, digitale Produktpässe für nahezu jedes Produkt zu führen, um beispielsweise den Rezyklatanteil oder bedenkliche Substanzen, den sogenannten „substances of concern“ ausweisen. So könnten Art und Menge entstehender Abfälle genau bestimmt, geplant und dokumentiert werden. Offen ist an dieser Stelle die Granularität der Produktpass-System,

d.h. ob der digitale Produktpass für gesamte Produkte, Komponenten oder einzelne Materialien ausgestellt werden soll.

Gleichzeitig stünden digitale Produktpässe noch in den Anfängen ihrer Entwicklung und vor einigen technischen Herausforderungen. Aus technischer Sicht erachtet Holger Berg die Interoperabilität des Passes zwischen verschiedenen Akteuren innerhalb eines Systems als erforderlich, derzeit aber technisch noch nicht vollständig umsetzbar. Neben den technischen Anforderungen müssen laut Holger Berg auch rechtliche Aspekte beachtet werden. Dies betrifft bspw. den Schutz von geistigem Eigentum und den Datenschutz.

Die Entwicklung digitaler Produktpässe ist bereits in einigen Bereichen durch Pilotprojekte gestartet. Ein besonders relevantes Anwendungsfeld seien Antriebsbatterien, dem sich bspw. das Projekt „battery pass DE“ in Zusammenarbeit mit namhaften deutschen Konzernen der deutschen Automobil- und Grundstoffindustrie widmet. Nach Auswertung durch das Wuppertal Institut konnten europaweit 76 Ansätze zur Umsetzung eines Produktpasses identifiziert werden, die von ersten Ideenskizzen bis zur Vormarktreife reichen. Vor allem aufgrund von öffentlichem Druck sind vor allem Lösungen in der Bau- und Textilbranche in fortgeschrittenem Stadium.

Vielen Dank für Ihre Teilnahme!
Wir freuen uns, Sie auch bei unserem nächsten Webseminar von #CEresearchNRW begrüßen zu dürfen. Das nächste Web-Seminar findet am 25.01.2023 online statt, diesmal von 14:00 bis 15:30 Uhr. Hier wird uns Dr. Christian Engel, Leiter des Fachbereichs “Umwelt- und Naturschutz“ der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Europäischen Union der uns ein „Update“ zum Stand des CEAP geben.