Am 8. Mai 2025 fand das 43. Webseminar #CEresearchNRW statt. Wir feierten zu Beginn den 5. Geburtstag der Webseminarreihe. Danach brachten uns Dr. Catharine Kloppenburg und Dr. Jan Förster des Projektträger Jülichs die Förderlandschaft der Bioökonomie im Zusammenspiel mit der Circular Economy in NRW und der BRD näher. Sie brachten zahlreiche Beispiele mit wie Forschungsprojekte in der Praxis umgesetzt wurden und betonten, die Wichtigkeit von Wissenschaftskommunikation.
Die Moderation und Einführung zum 43. Webseminar unserer #CEresearchNRW-Reihe übernahm Paul Szabó-Müller, der diese lange Zeit während des Prosperkolleg Projekts begleitete. Er blickte mit den Teilnehmer*innen auf die letzten fünf Jahre des Formats zurück, das ursprünglich aufgrund der Corona Pandemie als Onlinereihe aufgezogen wurde. Mittlerweile waren 91 Speaker*innen von zahlreichen Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Institutionen bei uns zu Gast und blickten mit uns aus diversen Perspektiven auf die Circular Economy. Von Living Labs, über Recyclinginnovationen, oder neue Geschäftsmodelle – #CEresearchNRW hat sich von einer Webseminarreihe zu einem festen Netzwerk gemausert, das in intensivem Austausch an der nachhaltigen Transformation arbeitet. Im Anschluss an diese kleine Zeitreise und die Glückwünsche des Publikums übergab Paul Szabó-Müller das Wort an die Referent*innen vom Projektträger Jülich.
Catharine Kloppenburg erklärte zunächst, welche Aufgaben und Ziele der Projektträger Jülich (PTJ) hat. Fasst man es kurz und knapp zusammen unterstützt der PTJ die Fördermittelgeber, also die Bundesregierung, die Ministerien und die Länder, bei der Gestaltung und Umsetzung von Maßnahmen zur Forschungsförderung. Kerngeschäft ist die Projektförderung – von der ersten Idee bis zum Projektabschluss. Begleitet werden die Forscherinnen und Forscher während der Projektlaufzeit durch ein personelles Tandem aus einer wissenschaftlichen sowie einer administrativen Person.
Darüber hinaus unterstützt der PTJ die Ministerien kontinuierlich bei der strategischen Weiterentwicklung von Förderprogrammen und -themen. Dies findet im ständigen Austausch statt. Das heißt, dass die Ideen für Förderformate sowohl aus den Ministerien als auch aus der Wissenschafts-Community kommen können. Des Weiteren gehört die Wissenschafts- bzw. Fachkommunikation zu den Aufgaben des PTJ, um den Themen, die gefördert werden, eine breite Bühne zu bieten und diese bekannter zu machen. Der PTJ ist deutschlandweit aktiv und hat Standorte in Berlin, Rostock, Jülich und Bonn.
Das Thema Bioökonomie wird beim PTJ in großer Bandbreite gefördert. Dazu zählen unter anderem die Pflanzenzüchtungsforschung, die Agrar- und Bodenforschung, die industrielle Bioökonomie, Ideenwettbewerbe und innovative Förderformate für kleine und mittelständische Unternehmen, Innovationscluster und Modellregionen sowie die Verknüpfung von Bioökonomie und Gesellschaft. Doch was steckt eigentlich hinter dem Begriff Bioökonomie?
Der Bioökonomierat findet dafür folgende Definition:
“Bioökonomie ist die wissensbasierte Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitzustellen. Dabei steht die nachhaltige Nutzung biologischer Grundlagen im Vordergrund, um einen Beitrag zur Erreichung globaler Nachhaltigkeitsziele und zur Transformation hin zu einer biobasierten Wirtschaft zu leisten.”
Was die Bioökonomie und die Circular Economy miteinander eng verbindet, ist das Ziel, in Wirtschafts- und Lebensweisen natürliche Ressourcen effizient zu nutzen und dabei möglichst lange in Kreisläufen aus Mehrfachnutzungen und Wiederverwendung zu halten. So stellt die Bioökonomie nachhaltige Ressourcen für eine entstehende Kreislaufwirtschaft bereit. Kreisläufe, die wenig Abfälle produzieren und ein Gleichgewicht zwischen der Nutzung und Neubildung von biogenen Ressourcen anstreben, stehen im Gegensatz zum linearen Wirtschaftssystem, in dem Wertschöpfung eine „Wegwerf-Einbahnstraße“ darstellt. Biologische, natürlich Kreisläufe bilden die Basis des Kreislaufverständnisses der Bioökonomie. Das Zusammenspiel zwischen Bioökonomie und Circular Economy findet z. B. in der Entwicklung biobasierter Produkte (z. B. biobasierter Kunststoff) statt und der Verwertung biogener Reststoffe (z. B. Abfälle als Input für andere Kreisläufe). Aber auch als Treiber für Innovationen, z. B. in Form nachhaltigen Produktdesigns. Die beiden Referenten vom PTJ fassten es folgendermaßen zusammen: “Die Bioökonomie ist das grüne Herz der Circular Economy!”
Besonders großes Potenzial in der Bioökonomie liegt darin, biogene Rest- und Abfallstoffe in Deutschland und weltweit besser zu nutzen. Rest- und Abfallstoffe werden in Deutschland bisher noch viel zu selten genutzt. Deshalb sind sie aus wirtschaftlicher Perspektive sehr interessant, da sie aktuell kostengünstig verfügbar sind. Für alle Bereiche der Bioökonomie gilt das Food-First-Prinzip. Das heißt, an allererster Stelle steht die Nahrungsgewinnung für Menschen (und Tiere) und dann die Nutzung biogener Rohstoffe zur Herstellung von Produkten etc.
Die Liste biogener Rest- und Abfallstoffe ist lang.
In der Landwirtschaft fallen Gülle, Pflanzenteile und andere Stoffe an, in der Holzwirtschaft bleiben Holzreste und Späne zurück. In Siedlungen entstehen Abfälle der Bewohner, Straßenbäume werfen ihr Laub ab und in Kläranlagen fallen Klärschlämme an. Ebenfalls in der Industrie gibt es viele Stoffe, die aktuell wenig genutzt werden, z. B. Reststoffe aus Ölmühlen, aus der Stärkeproduktion oder auch Nebenprodukte und Reste der Brotherstellung. Das Potenzial, diese Abfälle anders zu nutzen, ist riesig. darum hat es auch eine solche Bedeutung für die Forschungsförderung in der Bioökonomie.
Um zu unterstreichen, welchen Einfluss die bisherigen Förderlinien und -maßnahmen haben, brachten Catharine Kloppenburg und Jan Förster viele spannende Praxisbeispiele aus dem von PTJ betreuten Förderportfolio des Bundesministeriums für Forschung. Technologie und Raumfahrt (BMFTR) mit.
Zunächst berichtete Sie von dem Projekt CUBES Circle. Dabei handelt es sich um ein geschlossenes modulares System am Campus der HU Berlin, das versucht, Tier- und Pflanzenzüchtung neu zu denken. Das System tauscht untereinander Nährstoffe aus und ist dadurch nahezu abfallfrei. Als geschlossenes System ist es so divers einsetzbar, dass es sogar in Wüstenregionen Lebensmittel erzeugen kann.
Das Projekt TaRECa beschäftigt sich mit den Resten der Paprikapflanze und erforscht, was man daraus herstellen kann. Es kam heraus, dass man aus den Resten die Basis einer Chemikalie gewinnen kann, die für die Kosmetik Industrie wichtig ist. Darüber hinaus kann ein weiterer Stoff gewonnen werden, der als biobasiertes Pflanzenschutzmittel funktioniert.
Das Projekt SUSKULT des Fraunhofer Instituts ist ein neuartiges Konzept zur Lebensmittelproduktion, das auf hydroponischer Technik basiert. Dabei wachsen die Pflanzen in einem kontrollierten Innenraumsystem ohne Erde, sondern mithilfe von mineralischen Nährlösungen. Dieses Verfahren erlaubt eine präzise Regelung der Wasser- und Nährstoffzufuhr für gartenbauliche Kulturen. Die dafür erforderlichen Elemente, darunter Kohlendioxid, Phosphor, Kalium und Stickstoff sowie Wärme und Wasser, werden direkt aus einer Kläranlage gewonnen.
Zuletzt brachte Catharine Kloppenburg das Beispiel der Modellregion Bioökonomie im Rheinischen Revier. Der regionale Verbund aus Forschungs- und Entwicklungsprojekten umfasst die Städte Düren, Neuss, Heinsberg, Köln und Mönchengladbach. Diese Region ist stark vom Strukturwandel betroffen und soll nun zur Zukunftsregion für die biobasierte Wirtschaft werden. Im Fokus steht vor allem eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Das Gesamtprojekt teilt sich in drei Unterprojekte: Bioökonomie REVIER, Bio4MatPro und Bioökonomie:VVU.
Ziel der Modellregion ist es, zum Vorreiter in der Branche zu werden, Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu schaffen und dabei die Nachhaltigkeit zu fördern. Fossile Rohstoffe sollen wo möglich und sinnvoll durch biologische ersetzt werden und so nach und nach regionsübergreifend eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft umgesetzt werden.
Damit dies in der Modellregion gelingt, muss eine positive Atmosphäre für Innovationen geschaffen werden, die Start-Ups und neue Ideen fördert. Damit auch die Menschen auf dem Weg mitgenommen werden, ist Partizipation ein wichtiger Bestandteil. Zu guter Letzt ist die ökologische Begleitung wichtig, denn Bioökonomie ist nicht per se nachhaltig, sondern muss Nachhaltigkeit aktiv fördern und kreislaufwirtschaftliche Prinzipien mitdenken.
Die Förderung der Bioökonomie passiert natürlich nicht im luftleeren Raum, sondern richtet sich nach den politischen und gesetzlichen Vorgaben. Hierbei ist vor allem die Nationale Bioökonomiestrategie der Bundesregierung zu nennen. Die konventionellen Pfade der Wirtschaft haben in der Vergangenheit hohe Abhängigkeiten von fossilen Rohstoffen und deren linearer, ökonomischer Verwertungslogik erzeugt.
Konventionelles, erdölbasiertes Plastik ist dafür ein klassisches Beispiel. Die Forschung zu konventionellen Kunststoffen ist der Forschung zu Biokunststoffen um 50 Jahre voraus und hat unzählbare Produktionskreisläufe, Wertschöpfungsketten und Plastikprodukte hervorgebracht, die im Alltag nicht zu ersetzen sind. Um die Plastikverschmutzung begrenzen zu können, braucht es jedoch bspw. für Einwegplastikprodukte, insbesondere im Verpackungssektor, insgesamt nachhaltige, biobasierte Kunststoffalternativen mit ähnlichen Material- sowie Abfalleigenschaften. Hier muss die Forschung also einiges an Zeit aufholen. Die Nationale Bioökonomiestrategie hat deshalb zum Ziel, dass neues Wissen in den nächsten 10-20 Jahren verfügbar und auch praktisch nutzbar ist.
Die Innovationen, die im Rahmen dessen vorangetrieben werden, sollen klimaschonend und verantwortungsvoll in die Zukunft gerichtet sein. Auch die Rohstoffbasis der deutschen und europäischen Wirtschaft soll krisenfester und unabhängiger werden. Dies soll dadurch forciert werden, dass bereits jetzt auf fossile Rohstoffe verzichtet wird, wo dies ökonomisch sinnvoll und praktisch machbar ist. Die Forschung, die im Rahmen der Nationalen Bioökonomiestrategie gefördert wird, soll helfen, Entwicklungsdynamiken innerhalb der planetaren, ökologischen Grenzen zu halten. Hierbei ist es wichtig, dass das gesamte System der Gesellschaft nachhaltig gestaltet wird und alle Beteiligten mitgenommen werden.
Jan Förster des PTJ stellte im Anschluss daran die Fördermaßnahme „Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel (BagW)“ vor, die die gesellschaftlichen Implikationen eines Wandels zur Bioökonomie adressiert. Er erläuterte, wie sich das Dachkonzept der erfolgreichen Fördermaßnahme aktuell aus drei Modulen zusammensetzt.
Erstens, die Forschungsförderung von interdisziplinär zusammengesetzten Nachwuchsgruppen an akademischen Forschungseinrichtungen in der Forschung zu einer nachhaltigen Bioökonomie. Diese Maßnahme hatte neben dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn auch zum Ziel Themen der Bioökonomie auch langfristig in der akademischen Forschung und Lehre zu verankern (Nachwuchsgruppen, Modul I – BagW).
Zweitens, die Förderung von thematisch fokussierten Projekten der Bioökonomie in Verbünden aus Unternehmen der privaten Wirtschaft (von Start-ups über KMU bis zu Großunternehmen), Bundesforschungseinrichtungen, Behörden und/oder akademischen Einrichtungen (Thematische Projekte und Verbünde, Modul II – BagW).
Ziel war es beispielsweise in den ersten Phasen der Förderung im Jahr 2015, potenzielle Konflikte und Risiken zu erforschen – wie z. B. Landnutzungskonflikte und nicht nachhaltige Ökobilanzen globaler Biomasseströme und deren Verwertung – und im Sinne einer global nachhaltigen Bioökonomie nach geeigneten Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Gleichzeitig wurde in Modul II zu Umsetzungs- und Anwendungsmöglichkeiten sowie politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen geforscht während komplementär dazu in Modul III (ursprünglich Modul IV) die grundsätzliche Verfügbarkeit an biogenen Ressourcen analysiert sowie deren ökologische Grenzen und ökonomischen Nutzungspotenziale erarbeitet wurden.
Was alle Module dieser Fördermaßnahme verbindet, ist, dass sie inhaltlich auf die Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft, Technik, Gesellschaft und Umwelt fokussiert. Dabei folgt sie stets der politischen Prämisse, dass Wandel zur Bioökonomie nur gelingen kann, wenn er auch von der Gesellschaft mitgetragen wird. Wichtig war, dass aus analytischer Perspektive auf die Bioökonomie als ganzheitliches System geblickt wurde und die Forschung nicht nur regionale und nationale, sondern auch globale Perspektiven einnahmen.
In der systematischen Weiterentwicklung der Fördermaßnahme von einem Fokus auf eine wissensbasierte Bioökonomie hin zur Ausgestaltung der Förderung in konkreten FuEI – Vorhaben (Forschung, Entwicklung und Innovation) werden nun vermehrt Themenkomplexe adressiert, in denen im Ergebnis praktische Innovationen anwendungsnaher als bisher vorangetrieben werden. Die Ergebnisse der vorangegangenen Projekte legten hierfür den Grundstein, denn weiterhin sind alle Projekten darauf aus Nachhaltigkeitsgewinne zu erzielen.
Zum Abschluss übergab Jan Förster noch einmal das Wort an Catharine Kloppenburg, die den Blick auf die Kommunikation der Projektergebnisse und deren Transfer in die Wirtschaft und Gesellschaft lenkte.
Wie wichtig es ist, Forschung kommunikativ zu flankieren, erläuterte Catharine Kloppenburg zum Abschluss des Vortrags. Sie unterstrich, dass es zu vielen Themen, so auch der Bioökonomie, wenig Vorwissen in der breiten Öffentlichkeit gibt. Deshalb müssen die Themen mit guter Presse- und Kommunikationsarbeit begleitet werden. Denn nur, wenn neue Entwicklungen und Innovationen verständlich erklärt werden, kann sich Akzeptanz für diese herausbilden. Es reicht nicht aus, dass neue Technologien da sind, sondern die Menschen müssen sie auch verstehen und deren Nutzen erkennen, um sie in die Praxis zu bringen.
Aufgrund dessen werden durch das BMFTR und andere Ministerien immer mehr Gelder für die Wissenschaftskommunikation bereitgestellt. Hiermit sollen neue Ideen nicht nur einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sondern auch einer zunehmenden Wissenschaftsskepsis mit Fakten begegnet werden. Teil der Arbeit beim Projektträger Jülich ist es, Wissen zu den Förderthemen zu bündeln und dieses auf Webseiten darzustellen oder in Broschüren und anderen Formaten aufzubereiten. Catharine Kloppenburg schloss mit einem klaren Appell an die #CEresearchNRW-Community: Wir müssen ein breites Verständnis für Forschung und ihre Implikationen schaffen. Deshalb sollte Wissenschaftskommunikation integraler Bestandteil der Forschungsarbeit sein.
Wir hoffen, dass Sie auch beim nächsten #CEresearchNRW-Webseminar dabei sind. Dieses wird am 5.6.2025 zu dem Thema “Neue Ansätze im Textil- und Kunststoffrecycling” stattfinden. Dr. Anna Missong der HS-Niederrhein und Dr. Christine Weiß von EVONIK werden mit uns ihre spannenden Ergebnisse teilen!
Bis dahin,
ihr CirPEL und Prosperkolleg e.V. Team